Regionale Resilienz

Resilienz bedeutet so viel wie Widerstands- oder Anpassungsfähigkeit. Im Geographie-Studium in den 1990er Jahren habe ich den Begriff im Zusammenhang mit der (nicht gegebenen) Ernährungssicherheit der Bevölkerung im afrikanischen Sahel kennengelernt, verwendet wurde er immer in einem Atemzug zusammen mit Vulnerabilität (Verletzlichkeit). Weit größere Reichweite hat hierzulande die Idee der psychischen Resilienz erlangt, die seit einigen Jahren im Life-Coaching große Verbreitung findet (eine von mir unbemerkte Entwicklung, zumindest bis ich angefangen habe, mich mit der Resilienz von Regionen zu beschäftigen).

In meiner früheren Funktion als Geschäftsführerin des Regionalentwicklung Oberallgäu e.V. war ich an einem Projekt der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwickung zur Resilienz in ländlichen Regionen beteilgt. Darin wurde in zwei Pilotregionen erprobt, welche Herangehensweisen sich für Regionen aus dem Konzept der Resilienz ergeben. Den Bericht zum Projekt gibt es hier.

Für uns im Oberallgäu war schnell klar, dass Anpassungsfähigkeit viel mit Wandel zu tun hat und es dafür Menschen braucht, die dazu auch bereit sind. Im Projekt hat sich gezeigt, dass diese Pioniere des Wandels sich vor allem eine Plattform zum Austausch wünschen, und auch dass sie und ihre Gedanken stärkeres Gehör in der Gesellschaft finden. Dem haben wir mit einem Forum für Pioniere Rechnung getragen, das 2018 erstmals stattfand.

Die zweite Pilotregion aus dem Projekt, die Arbeitsgemeinschaft Obere Vils-Ehenbach (AOVE) hat das Thema Resilienz noch konsequenter weiter verfolgt: Für ihr Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept (ILEK) bildet die Resilienz den Umsetzungsrahmen. Es ist damit das erste ILEK bayernweit, das nach Resilienz-Gesichtspunkten erstellt wurde – mehr Informationen gibt es hier.

Noch während der Projektlaufzeit erreichte mich die Anfrage eines Master-Studenten der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, ob ich für ein Experteninterview zum Thema zur Verfügung stehen würde. Das habe ich zugesagt und nach dem Gespräch, wie immer in solchen Fällen, um spätere Zusendung der fertigen Arbeit gebeten. Das Ergebnis schaffte es sofort unter meine persönlichen Top 5 derartiger Arbeiten: „Regionale Resilienz. Konzepte und Anwendungen im deutschsprachigen Raum“ ist ein wahres Kompendium, über 20 Regionen mit Resilienzaktivitäten im deutschsprachigen Raum sind darin identifiziert. Die Arbeit steht erfreulicherweise inzwischen auf researchgate zur Verfügung, und zwar hier.

Gerade erst abgeschlossen wurde die Dissertation „Resiliente Dörfer gestalten. Analyse von Akteur*innen, Lernprozessen, Wirklichkeitskonstruktionen und Entwicklungen in drei ländlichen Gemeinden der europäischen Peripherie“, entstanden an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und der Universität Vechta. Ich freue mich auf die Erkenntnisse, die in drei Gemeinden in Deutschland, England und Spanien gewonnen wurden. Einstweilen gibt es hier erste Informationen, ebenso hier mit der Möglichkeit zur Bestellung..

Und erst recht freue ich mich, wenn es an verschiedenen Stellen mit dem Thema „Regionale Resilienz“ weiter geht und wir Kompetenzen zum Thema bündeln können!

Weinberg-Patenschaft – mit Freunden die Kulturlandschaft schützen und Spaß dabei haben…

Wer von uns möchte nicht die Welt ein bisschen besser machen? Immer wieder gelingt uns das auch – oft ganz individuell im Kleinen. Manchmal aber sind es auch tolle größere Initiativen und Projekte, die verwirklicht werden, ohne dass die „Macher“ viel Aufhebens darum machen. Vorhaben ohne viel Rummel und ohne Website, nichtsdestoweniger sehr nachahmenswert.

Eines dieser Projekte spielt an der Mosel: Die Region ist seit hunderten von Jahren Weinbaugebiet. Die Flächen dort bringen alles mit, was für Spitzenweine nötig ist: Die für hochwertigen Riesling perfekt zusammengesetzten Schiefer-Böden, das richtige Klima und viel Expertise bei den Winzern. Dennoch ist der Weinbau in den letzten Jahrzehnten einem Strukturwandel unterworfen, in dessen Folge immer mehr Weinbergsflächen brach fallen. Statt der gepflegten Reben gibt es dann wuchernde Brombeeren und Gestrüpp – das wollen Mosel-Gäste eigentlich nicht sehen.

Weinberge an der Mosel. Im Vordergrund eine der bereits brachgefallenen Flächen, dahinter wächst der Geo-Wein.

Vor über zwanzig Jahren war all dies Thema in einer Lehrveranstaltung im Fachbereich Geographie an der Universität Trier. „Da muss man doch was machen“, dachten sich einige der damaligen studentischen Teilnehmer. Ein Stück Weinberg kaufen oder selber bewirtschaften war die erste Idee – aber schnell kam die Einsicht, dass dafür wohl doch das nötige Know-How fehlt. Durch Vermittlung des Professors wurde das Trüppchen dann in Kontakt gebracht mit einem aufgeschlossenen Winzer und gemeinsam wurde die Idee verwirklicht: Um die Jahrtausendwende übernahmen die mittlerweile über ganz Deutschland verteilten und in Lohn und Brot stehenden ehemaligen Studenten die Patenschaft für eine Weinbergsparzelle mit rund 1.000 Stock. Ein Jahr später kam der erste „Geo-Wein“ in die Flasche. Bei Lust und Laune helfen die Geo-Winzer bei der Lese und verkosten gemeinsam mit dem Winzer im Weinkeller das edle Tröpfen, bevor es auf die Flasche kommt. Nicht nur, dass sie im Laufe der Jahre selber noch viel mehr über den Weinbau und die Wein- und Kulturlandschaft an der Mosel gelernt haben, auch der Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis wurde für die Belange des Weinbaus sensibilisiert und begeistert. So ist für die meisten das jährlich im Sommer stattfindende „Weinbergsfest“, bei dem inmitten der Rebenlandschaft der neue Jahrgang präsentiert wird, ein fest etablierter Termin im Kalender.